Porsche Holding-Sprecher Schtzinger Die Rabattschlachten sind vorbei

STANDARD: Saturn im Wassermann: Die Astrologen prognostizieren f?r 2022 ein Jahr der F?lle. Sieht ein k?hl rechnender Gesch?ftsmann wie Sie ebenfalls Anzeichen einer signifikanten Trendwende?

Sch?tzinger: Wir sind 2021 ganz ordentlich durch die Krise gekommen. Ich glaube aber, es ist erst die Talsohle erreicht - es wird noch eine Delle geben. Es wird ein schwieriges erstes Halbjahr. Wir rechnen mit einer Verbesserung der Halbleiter- und damit der Liefersituation im zweiten Halbjahr. Insgesamt sollte heuer eine Steigerung um ca. zehn Prozent in Richtung 265.000 Neuzulassungen m?glich sein.

STANDARD: Mehr gibt die Lieferf?higkeit nicht her?

Sch?tzinger: Es ist ja nicht nur ein Thema der Halbleiter, sondern die Lieferkettenproblematik zieht sich durch s?mtliche Branchen. Das h?ngt nicht an Corona alleine, sondern auch an der explosionsartigen Steigerung der Nachfrage, die durch alle Industrien geht.

Porsche Holding-Chef Hans Peter Sch?tzinger erwartet erst 2024 wieder ?ber 300.000 Neuzulassungen bei Pkw. Elektroauto-Prognose f?r heuer: Wachstum von 13,5 auf 20 Prozent. Foto: Porsche Austria, Marc Haader

STANDARD: 239.803 Pkw-Neuzulassungen 2021, 248.740 im Jahr davor: In den beiden Corona-Jahren ist der Gesamtmarkt dramatisch eingebrochen, von im Schnitt rund 320.000 die Dekade davor. Rechnet man mit rund einem Drittel Marktanteil von Porsche Austria, entspricht das einem Minus von 20.000 bis 25.000 Autos. Wie geht eine grosse Handelsorganisation wie die Ihrige mit solch desast?sen Rahmenbedingungen um?

Sch?tzinger: Das Ganze war letztlich auch eine Fitnesskur f?r die Branche, f?r die Vertriebsorganisationen. Wir haben in dieser Zeit auch unsere Hausaufgaben machen k?nnen, wie Digitalisierung. Auf der Kostenseite wurden Prozesseverbessert, Synergien gesucht. Im Handel wurde in erster Linie das Rabattsystem gesenkt. Der Push-Markt hat sich ja in einen Pull-Markt gedreht, anders gesagt: von einem Verk?ufer- zu einem K?ufermarkt. Damit sind die Rabattschlachten vorbei, mangels ?bersch?ssiger Ware am Markt.

STANDARD: Bringt das nicht viele private H?ndler an den Rand des Zusammenbruchs und welche unterst?tzenden Massnahmen von Importeursseite sorgen f?r Stabilisierung?

Sch?tzinger: Es hat Unterst?tzungspakete gegeben, vor allem im Bereich der Finanzierung - was Liquidit?t, Zinsen etc. betrifft. Das Gesch?ft selbst ist 2021 ein gesundes gewesen, die H?ndler haben angemessen verdient.

STANDARD: Erwarten Sie eine Ausd?nnung des H?ndlernetzes?

Sch?tzinger: Das ist ?berhaupt nicht n?tig, im Gegenteil: Unser grosses, stabiles H?ndlernetz ist ja einer unserer Erfolgsfaktoren. Wir haben allerdings im vergangenen Jahr insofern Ver?nderungen in der H?ndlerstruktur angestossen, als wir den Fokus auf Ballungsgebiete gelegt und einige kleinere unserer Betriebe regional verkauft haben, in der Steiermark und in Vorarlberg.

Auch dank der hier gezeigten Elektroversion fuhr der Fiat 500 im Vorjahr auf Rang eins. Foto: Stockinger

STANDARD: Im Ranking liegen die Marken der VW-Konzernwelt in ?sterreich weit vorne, VW, Skoda, Seat und Audi belegen Rang eins, zwei, vier und f?nf. Schmerzt es da nicht, dass bei den Einzeltypen der Fiat 500 den ersten Stockerlplatz errungen hat - und der neue Golf offensichtlich bei weitem nicht mehr die Strahlkraft der vergangenen Jahrzehnte hat?

Sch?tzinger: Die Situation ist wegen der Aufsplittung des Modellangebotes nicht mehr vergleichbar. Die Kunden greifen vermehrt zu anderen Fahrzeugtypen, zuletzt besonders zu den SUVs. Gleichzeitig fokussieren wir uns bei Elektro nicht nur auf ein Hauptmodell- wie etwa Tesla -, sondern auf mehrere.

STANDARD: Apropos Elektro: ?hnliches Bild bei den batterieelektrischen Fahrzeugen, deren Markanteil von 6,4 auf 13,9 Prozent stieg: Da erh?hte der VW-Konzern zwar seinen Prozentsatz von 26 auf 35,3 und VW fuhr davon allein 17,6 Prozent ein, aber in der Einzelwertung konnte Teslas Model 3 den ID.3 deutlich in die Schranken weisen. Liegt das allein in der Verf?gbarkeit?

Sch?tzinger: Wie gesagt: Wir bringen f?r jeden Kunden das richtige Modell und setzen nicht nur auf ein Hauptmodell. Zum ID.3 und ID.4 kommt noch einiges hinzu, die ID.-Familie als solche wird extrem stark werden. In Summe haben wir derzeit einen Neuzulassungs-Marktanteil von 37 Prozent. Bei den Elektrofahrzeugen sieht das Bild ziemlich gleich aus - 35,3 Prozent. Alle Konzernmarken haben schon oder bringen entsprechende Modelle, und bei Volkswagen gehen wir davon aus, dass wir bei Elektroautos einen Marktanteil von 15 bis 18 Prozent erreichen. Mit zuletzt 17,6 Prozent sind wir recht pr?zise auf Kurs.

STANDARD: Welchen Anteil am Einbruch 2021 hatte die Chip-Krise?

Nur ein Tr?pfchen auf den heissen Stein: Chip-Fertigung im 2021 er?ffneten Werk von Bosch in Dresden. Foto: Reuters

Sch?tzinger: Der Halbleitermangel hat die gesamte Automobilbranche weltweit mit voller Wucht getroffen. Das war der Hauptgrund, Es gibt aber noch weitere Ursachen. Es gab und gibt auch einen Mangel an sonstigen Teilen wie Anh?ngekupplungen, um nur ein Beispiel zu nennen.

STANDARD: Ist es nicht so, dass margenstarke Marken - Audi, Porsche - und Modelle sowie die Elektroautos im Konzern bevorzugt mit Chips beliefert werden?

Sch?tzinger: Die Fokussierung auf margenst?rkere Fahrzeuge sowie Elektroautos sehen Sie in der gesamten Branche. Aber es ist halt ein Mix. Man sorgt f?r die Grundversorgung aller Marken, und einige bekommen dann eben ein bisschen mehr. Aber es ist nicht so, dass alles zu Porsche oder Audi geht und VW, Skoda oder Seat nichts mehr bekommen.

STANDARD: Wie hat sich das Kundenverhalten im Zuge der Corona-Krise ver?ndert?

Sch?tzinger: Es ist digitaler geworden. Die Kunden informieren sich vor allem online.

STANDARD: Das war vorher auch schon der Fall.

Sch?tzinger: Ja, aber das ist - vor allem beim Privatkunden - noch st?rker geworden. Einige wenige kaufen auch schon online. Die meisten informieren sich gr?ndlich, machen Vorbereitungsarbeiten online, schliessen aber dann im Autohaus ab, weil man doch letztendlich noch beim Preis verhandeln will und auch den direkten pers?nlichen Kontakt sucht. Aber der ganze Prozess der "Customer journey" - die digitale Kundenbeziehung vom Suchen bis zum Kaufabschluss, dann weiter bis zu Finanzierung und Versicherung - wird immer digitaler. Und, vor allem: das Kundenverhalten wird nachhaltiger, eine Folge der Klimadiskussion.

STANDARD: Sind die Auto-Online-Portale ein ernsthaftes Konkurrenzmodell?

Sch?tzinger: Nicht beim Neuwagen. Diese Portale punkten vor allem bei Gebrauchtwagen.

STANDARD: Zu Ihrer Prognose Pkw-Gesamtmarkt 2022. Sind die von Ihnen ausgegebenen 265.000 Neuzulassungen nicht konservativ gesch?tzt? 320.000 bis 350.000 waren es in den Jahren vor Corona.

Sch?tzinger: Die Frage ist: Was ist das Ziel. F?r ?sterreich ist ein Markt um die 300.000 vern?nftig und gesund, bei guter Konjunktur auch h?her, vielleicht 330.000. Er sollte aber nicht h?her sein, nur weil es eine ?berproduktion gibt. So eine Entwicklung w?nschen wir uns jetzt nicht mehr.

STANDARD: Der Dreihunderter f?llt n?chstes Jahr?

Sch?tzinger: Nein, den sehe ich eher in Richtung 2024. Auch, weil die Halbleiterthematik nicht von heute auf morgen zu l?sen ist. Diese Kapazit?ten kann man nicht beliebig hochfahren.

STANDARD: Rekordauftragsbestand hin oder her: Wie halte ich Kunden bei der Stange, die ein, eineinhalb oder gar zwei Jahre auf ihr neues Auto warten m?ssen?

Sch?tzinger: Die durchschnittliche Lieferzeit bei unseren Importeuren liegt derzeit zwischen sechs und zw?lf Monaten. Die Kunden wissen das aber, weil dieser Nachfragestau inzwischen bis in die Konsumg?terbranche durchgeschlagen hat und man auch dort mit Lieferzeiten konfrontiert ist. Viele Kunden kalkulieren das bereits ein und k?nnen beispielsweise heute per Kaufvertrag den Preis von in einem Jahr fixieren, selbst wenn die Inflation bis dahin die Preise nach oben steigen l?sst. Aber nat?rlich versuchen wir die Kunden, neben dem Umstand, sie gr?ndlich zu beraten bei Lieferverz?gerungen auch anderweitig zu unterst?tzen. Bei Leasingvertr?gen bieten wir unb?rokratische Hilfe bei Verl?ngerung und suchen nach individuellen ?bergangsl?sungen.

STANDARD: Da werden sich Ihre Finanzer freuen.

Sch?tzinger: (schmunzelt) Sehr!

STANDARD: Warum kommen andere, Toyota etwa oder die koreanischen Hersteller, besser mit der Halbleiterkrise zurecht als die deutschen, die europ?ischen Hersteller?

Sch?tzinger: Dieser Eindruck mag im Einzelfall zutreffen. Wenn wir nur die ?sterreichische Situation betrachten: 2021 ist der Markt gegen?ber 2020 von 248.000 auf 240.000 zur?ckgegangen. Wir haben ganz knapp zulegen k?nnen und haben dadurch den Markanteil gesteigert. Angesichts dieser Tatsache bilanzieren wir nicht schlechter, sondern besser als der Markt.

STANDARD: Welche der heuer startenden neuen Modelle aus Ihrer Markenwelt werden noch st?ckzahlm?ssig sp?rbar?

Der VW Taigo, die SUV-Coup?-Version des T-Cross, kommt extrem gut an. Foto: Volkswagen

Sch?tzinger: Aktuell l?uft gerade die Markteinf?hrung des neuen VW Taigo, und dieser l?uft sehr gut an.

STANDARD: Der ist aber nur ein Derivat vom T-Cross.

Sch?tzinger: Trotzdem. Besonders spannend wird auch das vollelektrische SUV Coup? VW ID.5 werden ...

STANDARD: ... ob er, als SUV-Coup?-Version des ID.4, diesen kannibalisieren wird und wie stark ...

Der ID.5 von VW spielt ebenfalls das Thema SUV-Coup? durch, allerdings gr?sser als der Taigo und batterieelektrisch. Foto: Volkswagen

Sch?tzinger: ... (lacht) deshalb sage ich ja mit gewissem Augenzwinkern, das wird spannend werden. Generell erwarten wir uns, dass der Elektro-Markt insgesamt, von 13,5 Prozent in Richtung 20 Prozent bewegen wird, also auch bei den St?ckzahlen zulegen wird. Deshalb werden auch wir uns ganz sicher weiter steigern k?nnen, auch dank des ID.5, Skoda Enyaq Coup? iv oder Cupra Born, der Ende letzten Jahres sein Marktdeb?t feierte. Auch der ID.Buzz wird heuer noch vorgestellt, der wird aber erst 2023 richtig lieferf?hig sein.

STANDARD: Wann kommen die ersten Fahrzeuge auf der von Porsche und Audi gemeinsam entwickelten Elektro-Plattform PPE (Premium Plattform Elektro; Anm), sprich: geht sich der Q6 e-tron heuer noch aus?

Sch?tzinger: Da ist es wie beim ID.Buzz: Der Q6 e-tron wird auch letztlich erst 2023 richtig schlagend werden. Pr?sentiert wird er aber heuer noch.

STANDARD: Das Schwestermodell, der Porsche Macan, ist ohnehin erst f?r 2023 geplant.

Sch?tzinger: Elektromobilit?t wird bei Porsche ja auch immer wichtiger. 2021 war zwar ein extrem erfolgreiches 911er-Jahr, aber angesichts der NoVA wird auch bei Porsche der Trend eindeutig in Richtung elektrischer oder elektrifizierter Mobilit?t gehen. Der Elektrifizierungsgrad bei Porsche liegt - voll elektrische und Plug-in-Hybrid-Modelle zusammengefasst - bereits bei ?ber 50 Prozent.

STANDARD: Der neue VW Amarok und die Nutzfahrzeugversionen des T6-Nachfolgers sind allesamt umetikettierte Fords. Wie viel ist Tradition heute noch wert?

Der ID.Buzz - hier noch die Studie, vom Serienmodell existieren noch keine Fotos - bedient das Retro-Thema erstmals bei Elektromobilen. Foto: Volkswagen

Sch?tzinger: Viel! Wir sind in der gl?cklichen Lage, dass unseren Marken auf eine grosse Tradition zur?ckblicken k?nnen. Und man wird das ganz deutlich beim ID.Buzz sehen. Von ihm erwarten wir uns wirklich viel, man sieht jetzt schon eine riesige Nachfrage.

STANDARD: Der Diesel ist von zuletzt 36,5 Prozent Marktanteil bei Neuzulassungen auf 24,3 Prozent abgesackt. Ist der Selbstz?nder tot und inwieweit besch?ftigt Sie der von Volkswagen verursachte Dieselskandal noch heute?

Sch?tzinger: Das Thema betrifft im Wesentlichen nur noch den Volkswagen Konzern direkt.

STANDARD: Traut sich der H?ndler heute noch, dem Kunden zum Diesel zu raten?

Sch?tzinger: Schon, aber es kommt sehr auf das Fahrprofil an. Wenn das ein Vielfahrer ist, ein klassischer Flottenkunde, dann ist der Diesel auch ?konomisch immer noch sehr attraktiv. Unter den Verbrennungsmotoren ist er ja der effizienteste. Andererseits, die Klimathematik beschleunigt den Trend, und der lautet: weg vom Diesel und vom Verbrenner insgesamt. Die Entscheidung ist gefallen, der Transformationsweg geht in Richtung Elektro.

STANDARD: Wann verkaufen Sie den letzten Diesel in ?sterreich?

Sch?tzinger: Ich bin dann in jedem Fall in Pension (lacht). Mitte der 2030er-Jahre lautet die Prognose, letztendlich entscheidet aber der Kunde, wann es soweit ist.

STANDARD: Der Gebrauchtwagenmarkt ist v?llig leergefegt, mit entsprechenden Preissteigerungen. Wann wird sich hier die Situation entspannen?

Knappheit nicht nur bei Neuwagen, sondern auch bei Gebrauchten - entsprechend zogen deren Preise an. Foto: Imago

Sch?tzinger: Das entwickelt sich spiegelgleich zum Neuwagenmarkt. Es gibt eine starke Nachfrage, auch bei Dieselmodellen. Erst, wenn Neuwagen wieder in ausreichenden Mengen geliefert werden, entspannt sich die Situation bei den Gebrauchten.

STANDARD: Wie entwickeln sich Flotten- und Beh?rdengesch?ft und ist das ?berhaupt noch profitabel?

Sch?tzinger: Auch hier sind unsere Fahrzeuge sehr gefragt. Wir haben unl?ngst eine grosse EU-weite Ausschreibung der Bundesbeschaffungsagentur gewinnen k?nnen, in der drei Rahmenvereinbarungen im Ausmass von 890 Millionen Euro vergeben wurden. F?r Polizei, Bund und weitere ?ffentliche Auftraggeber f?r die n?chsten zehn Jahre. Das freut uns sehr, aber das sind auf der anderen Seite schon sehr anspruchsvolle und von den Margen her kompetitive Ausschreibungen. Dennoch ist es f?r uns wichtig, es hilft uns bei Serviceums?tzen, und es freut uns nat?rlich, wenn wir auf den Strassen beispielsweise die Polizei mit unseren Konzernlogos fahren sehen.

STANDARD: Eine Imagefrage also?

Sch?tzinger: Image muss man sich leisten wollen. Aber in dem Fall ist es eine ausgewogene Situation. Zu den Flottenkunden: Dort ist der Umsatz in den vergangenen Jahren best?ndig gestiegen und es gilt auch hier einen grossen Auftragsbestand abzubauen.

STANDARD: Worauf ist das zur?ckzuf?hren? Unter anderem auf die Ich-AGs?

Sch?tzinger: Auch. Und dann hat Corona dazu gef?hrt, dass die individuelle Mobilit?t wieder wichtiger wurde. Da sind viele vom ?ffentlichen Verkehrsmittel zur?ck zum Auto gewechselt.

STANDARD: Wie schwer tut sich die Porsche Holding, in ?sterreich die CO2-Flottenziele zu erreichen?

Sch?tzinger: Grunds?tzlich m?ssen die Hersteller die Flottenziele erreichen, nicht die Importeure oder H?ndler. Der Volkswagen Konzern hat die CO2-Flottenziele in der EU im abgelaufenen Jahr mit 118,5 g/km ?bererf?llt. Auch wir haben in ?sterreich die vorgeschriebenen Flottenzeile - 121 g/100 km nach WLTP - erf?llt. Was uns hierbei geholfen hat, ist der rasante Anstieg der Elektroauto-Anteile.

STANDARD: Zu den politischen Rahmenbedingungen. Es herrscht eine autokritische Stimmung, die sich auch in der Steuergesetzgebung niederschl?gt. Wenn Sie sich als eines der umsatzst?rksten Unternehmen ?sterreichs von der Politik was w?nschen d?rfte: Was w?re das?

Sch?tzinger: Wichtig ist eine bessere Planbarkeit. Hauruck-Aktionen sind f?r uns extrem schwierig. Beispiel NoVA-Reformen: Allein deren technische Umsetzung ist eine Riesenherausforderung. Unser "Lieblingsbeispiel": Die Einbeziehung der Klein-Lkw in die NoVA 2021 war eine Katastrophe und auch eine reine Einnahmengenerierung. Denn im Endeffekt hatten die Gewerbetreibenden mangels Verf?gbarkeit gar nicht die Chance, auf Elektro oder Plug-in-Hybrid auszuweichen.

STANDARD: Unbedachter Zusatzeffekt: Kleine Gewerbetreibende fahren l?nger mit ihren alten Autos mit entsprechend gr?sserer Umweltbelastung.

Sch?tzinger: Ja, das ist auch ein Nebeneffekt, der verst?rkt wurde bzw. wird durch die N?cht-Lieferf?higkeit. Umwelttechnisch war das kein Glanzst?ck.

STANDARD: Bei der E-Mobilit?t setzt die Bundesregierung nach wie vor auf F?rderkonzepte, auch die ?ko-Steuerreform denkt vielfach in Kategorien, die Kritiker als planwirtschaftlich sehen. Klimakrise hin oder her: Kann das auf Dauer gut gehen?

An der Autobranche h?ngen in ?sterreich 350.000 Arbeitspl?tze - hier die Produktion des Mercedes G bei Magna in Steyr. Foto: Corn

Sch?tzinger: Die negative Stimmung hat sich mit Corona abgeschw?cht in einen konstruktiven Diskurs. Das ist ja eine Branche mit 350.000 Mitarbeitern in ?sterreich, mit Milliardenwertsch?pfung. Und was die generell zu beobachtende Technologiefeindlichkeit in Europa betrifft: Wir m?ssen Deindustrialisierung vermeiden. Man sah und sieht es ja bei Corona mit der Pharmaindustrie und jetzt bei der Chipkrise mit der Halbleiterindustrie: Nicht mehr allzu viel von dem Ben?tigten kommt mehr in nennenswertem Umfang aus Europa.

STANDARD: Ihr Hauptwunsch ist besser Planbarkeit?

Sch?tzinger: Planbarkeit, fr?here Einbeziehung - dass wir unsere umwelttechnischen und sonstigen Argumente in eine entsprechende Diskussion einbringen k?nnen. Es ist ja nicht so, dass wir mit der Politik nicht verhandeln w?rden. Es ist halt die Frage, wie viel von unseren Vorstellungen Geh?r finden. Noch ein wichtiger Punkt: Anreiz statt Strafen. Ich glaube, mit einem ordentlichen Anreizsystem erreicht man wesentlich mehr als durch Bestrafung.

STANDARD: Mehr F?rderungen also?

Sch?tzinger: Nein, nicht mehr F?rderungen, aber eine Harmonisierung zum europ?ischen Ausland w?re w?nschenswert. Und dass die F?rderungen auf einen l?ngeren Zeitraum definiert werden. F?r die Transformation braucht man einen l?ngeren Durchrechnungszeitraum.

STANDARD: Die F?rderungen f?r Plug-in-Hybrid werden aber schon jetzt heiss diskutiert. Wenn die fallen?

Sch?tzinger: Wie gesagt, es geht um Planbarkeit, f?r uns und die Kunden. Bloss keine Hauruck-Aktionen von heute auf morgen. Das f?hrt nur zu Verwerfungen auf dem Markt. Neben der NoVA-Befreiung f?r Elektro und in abgestufter Form f?r Plug-in-Hybrid stellt sich die Sachbezugsbefreiung als extrem wirksam heraus. Die ist ein ganz wichtiges Argument f?r viele, auf Elektro umzusteigen, also ein richtiges Steuerungsinstrument. Man darf auch nicht vergessen: Mehr als die H?lfte der F?rderungen zahlen die Importeure selbst. Mit dem Anreizsystem ist der Umstieg f?r den Konsumenten leistbar. Sehr wichtig war jetzt auch die Einbeziehung der Ladeinfrastruktur in das F?rderprogramm.

STANDARD: Die gesamte Branche befindet sich im Strukturwandel, vom Antriebskonzept bis zum Vertrieb. Welches sind aus Ihrer Sicht die gr?ssten Herausforderungen?

Sch?tzinger: Vier Themen. Aber die gr?sste Herausforderung ist inzwischen das Thema Nachhaltigkeit. Es umfasst Privatkunden und Firmen, die meistens bereits eine Nachhaltigkeitspolitik haben und geht weiter bis zur Finanzierung, den Banken und deren Nachhaltigkeitsgrunds?tzen - Stichwort: Green Financing. Wir m?ssen fr?h genug anfangen und planen, denn diese Trends verst?rken sich. Das reicht von den Autos selbst bis hin zum Energiethema, in die Werkst?tten, Austausch von Lackierkabinen etwa, bis zum Faktor Nachhaltigkeit, um Mitarbeiter zu finden. F?r viele ist es bei der Berufswahl inzwischen ein wesentliches Kriterium, wie ein Unternehmen in dem Bereich aufgestellt ist.

STANDARD: Zweites Thema?

Sch?tzinger: Den Umstieg auf die Elektromobilit?t weiter vorantreiben.

STANDARD: Ist Ihre H?ndlerschaft dazu ger?stet?

Sch?tzinger: Auch hier ist ein Transformationsprozess im Gange, dem sich der H?ndler nicht entziehen wird.

STANDARD: Verbunden mit entsprechenden Investitionen.

Im Servicebereich des Handels geht der Trend weg von der Mechanik und hin zur Hochvolttechnik. Foto: Fischer

Sch?tzinger: Vor allem in die Mitarbeiter, wo Leute umgeschult werden m?ssen. Weg von der reinen Mechanik, hin speziell zur Hochvolttechnik. Wir bieten von Importeursseite entsprechende Ausbildungen an, aber das geht ja weiter bis in die entsprechenden Lehrberufe.

STANDARD: Weiter im Themenkatalog.

Sch?tzinger: Digitalisierung. Extrem wichtig. Es geht darum, die oben angesprochene "Customer journey", die digitale Kundenbeziehung vom Suchen bis zum Kaufabschluss, dann weiter bis zu Finanzierung und Versicherung, digital abzubilden. Damit verbunden sind nat?rlich auch enorme Investitionen in unsere Vertriebssysteme. Der vierte Punkt ist, dass wir unsere H?ndlernetze fit machen f?r die Zukunft.

STANDARD: Noch einmal Elektromobilit?t. Mondstation: Sie haben sich mit der Moon Power GmbH als Systemanbieter ein junges Gesch?ftsfeld rund um Ladeinfrastruktur und Service erschlossen. Abgesehen davon, dass Ferdinand Porsche sich mit den ganzen unn?tigen Anglizismen im Grabe umdrehen w?rde: Wird das von der Kundschaft angenommen?

2019 er?ffnete die Porsche Holding die Mooncity in Salzburg und b?ndelt hier das Know-how des neuen Gesch?ftszweigs. Foto: Porsche Holding/Christian Houdek

Sch?tzinger: Wir haben die richtige Entscheidung getroffen, hier zu investieren und in dieses neue Gesch?ftsfeld zu gehen. Es existiert eine riesige Nachfrage. Leider schl?gt auch hier die Liefersituation durch und es existiert eine l?ngere Wartezeit f?r die Kunden - das reicht vom einfachen Ladekabel bis hin zur Photovoltaik-Anlage.

STANDARD: Dass Ihr Ansatz in Wolfsburg auf Wohlgefallen st?sst und der Salzburger Mond inzwischen in 18 L?ndern mehr - in Deutschland - oder weniger voll aufgegangen ist: Eine Best?tigung Ihres Kurses und Grund zur Freude?

Sch?tzinger: Wir haben die Internationalisierungsstrategie beschlossen, das war eine gute Entscheidung - weil es ein riesiges Marktpotenzial gibt, vor allem in Deutschland. Wir liefern und beraten mittlerweile in 18 L?ndern, unter anderem auch in Tschechien, Rum?nien, Ungarn, Slowenien, Kroatien. In unserer Zentrale in Salzburg b?ndeln wir das Know-how. Zu Deutschland: Das ist ein riesiger Markt. Wir starten gerade im S?den, in M?nchen, mittelfristig wollen wir dann weitere Metropolen in Deutschland erschliessen.

STANDARD: Wann ist der Prozess abgeschlossen?

Sch?tzinger: Das wird ein richtiges Langzeitprojekt, welches wir schrittweise angehen m?ssen, weil es aktuell extrem schwer ist, entsprechende ausgebildete Mitarbeiter zu finden. Wir k?nnten alleine bei Moon sofort die dreifache Menge an Mitarbeitern einsetzen.

STANDARD: Vielleicht zahlen Sie nicht gut genug.

Sch?tzinger: Nein, wir zahlen marktad?quat. Aber der Fachkr?ftemangel schl?gt voll durch und es findet in allen unseren Gesch?ftsbereichen ein Kampf um qualifizierte Mitarbeiter statt. Vor allem um IT-Spezialisten, die bei vielen Unternehmen begehrt sind. Nicht nur die Gastronomie k?mpft um ihre Leute, auch wir k?mpfen um Mitarbeiter.

STANDARD: Welche aktuellen Rahmenbedingungen finden die vor?

Sch?tzinger: Marktad?quate Bezahlung und moderne Arbeitsbedingungen. Unseren Kindergarten beispielsweise hier im Porschehof in Salzburg, wo wir erst k?rzlich die Kapazit?t auf 65 Pl?tze verdoppelt haben. Und unsere Mitarbeiter w?nschen sich schon wieder eine Vergr?sserung. Unsere Frauenquote in den F?hrungspositionen versuchen wir ebenfalls zu pushen - auch durch eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Aber wie gesagt: Es ist schwierig, junge Leute zu finden, weil viele Talente heute entweder selbst?ndig sein oder Teilzeit arbeiten wollen.

STANDARD: Wie steht es mit der Heimarbeit?

Sch?tzinger: Wir haben uns mit unserem Betriebsrat beim Thema Home-Office respektive Mobiles Arbeiten geeinigt. Schon jetzt sind zwei Tage pro Woche nach Abstimmung m?glich. K?nftig wird es auch ein erweitertes Angebot an Mobilem Arbeiten mit Desk-Sharing geben.

STANDARD: Dann k?nnen Sie bald ein, zwei Etagen Ihrer Zentrale vermieten.

Sch?tzinger: Nein, wir haben ja immer noch ein riesiges Wachstum. Wir m?ssten sonst wieder neu bauen.

STANDARD: Seit mehr als zehn Jahren ist die Porsche Holding nicht mehr eigenst?ndig, sondern direkter Bestandteil des VW-Konzerns. Ihre Erfahrungen nach einer Dekade Wolfsburger Regentschaft: Vor- und Nachteile?

Sch?tzinger: 2010 erfolgte unser Schritt in den VW-Konzern zu einer strategischen Vertriebss?ule. Dadurch konnten wir erhebliche neue Marktchancen bis hin nach China nutzen. Wir b?ndeln letztlich Volkswagen-eigene Einzelhandelsbetriebe in der Porsche Holding und managen diese. Wir bringen unsere Vertriebsexpertise im Konzern weltweit aktiv ein.

STANDARD: Das gelingt auch?

Sch?tzinger: Das gelingt uns immer besser, auch im Bereich der Informatik-Dienstleistungen. Der n?chste Schritt ist, dass unsere VU3 - das ist das essenzielle Verkaufsprogramm am Verk?ufer-Arbeitsplatz - Standard im Volkswagen Konzern werden soll. Zugute kommt uns aktuell auch, dass im Aufsichtsrat der Porsche Holding die Familien Porsche-Pi?ch sowie die ?sterreicher Hans Dieter P?tsch als Aufsichtsratsvorsitzender und Herbert Diess vertreten sind. In diesem Umfeld k?nnen wir sehr gut aktuelle Vertriebs- und Kundenthemen pr?sentieren und die Freigabe f?r wichtige Zukunftsprojekte, Pilotprojekte anstossen.

STANDARD: Sie skizzieren die Sonnenseite. Lassen wir es ein wenig schattig werden. Porsche Austria war seinerzeit, salopp ausgedr?ckt, mehr oder weniger ein Bauernopfer beim Ringen zwischen Porsche und Volkswagen um die neue Gestalt des Konzerns. Fr?her haben Sie direkt mit Zell am See (Familie Porsche-Pi?ch; Anm.) gesprochen, jetzt m?ssen sie via Wolfsburg ?ber Bande spielen. Hat sich dadurch die Bewegungsfreiheit nicht stark eingeschr?nkt?

Sch?tzinger: Nein. Ich glaube schon, dass wir es geschafft haben, eine gute unternehmerische Freiheit zu bewahren. Nat?rlich hat der Eintritt in einen internationalen Konzern wie Volkswagen Vor- und Nachteile. Die Vorteile liegen in neuen Chancen, in Sicherheiten bei Vertr?gen etc. Der Nachteil ist eine Erh?hung der Komplexit?t der B?rokratie. Aber mit der ?sterreich-lastigen Aufsichtsratsbesetzung gelingt es uns gut, sehr viel unternehmerischen Spielraum zu erhalten.

STANDARD: Sie k?nnen aber nicht mehr so schnell agieren wie fr?her.

Sch?tzinger: Jein. Vielleicht ist die Entscheidungsfindung selbst etwas komplexer, daf?r sind wir aber durchschlagst?rker. Das muss man aufwiegen. Wenn ich eine Bilanz erstellen m?sste, dann f?llt die durchaus positiv aus. (Andreas Stockinger, 29.1.2022)

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